Schädling auf dem Vormarsch: Was hilft gegen die Schilf-Glasflügelzikade?
In Folge des Klimawandels verbreitet sich in Deutschland die Schilf-Glasflügelzikade immer weiter, vor allem im Zuckerrüben- und Kartoffelanbau. Sie kann Bakterien übertragen, welche die Krankheiten des „Syndroms der niedrigen Zuckergehalte“ sowie Stolbur auslösen können. Beide Erkrankungen führen zu erheblichen Ertrags- und Qualitätsverlusten, neben Zuckerrüben und Kartoffeln sind inzwischen auch Gemüsesorten wie Karotten und Rote Beete betroffen. Da die Möglichkeiten zur Bekämpfung begrenzt sind, ist die Existenz vieler landwirtschaftlicher Betriebe durch den Schädling bedroht.
Der Druck auf Landwirtinnen und Landwirte durch die Schilf-Glasfügelzikade nimmt zu. Denn sie verbreitet Erreger, die zwei Erkrankungen auslösen. Zum einen die Stolbur-Krankheit, die Rübenkörper bzw. Kartoffelknollen verschrumpeln und gummiartig werden lässt, wodurch sie als Gummirübe bzw. Gummiknolle bezeichnet werden. Zum anderen das Syndrom der niedrigen Zuckergehalte – Syndrom Basses Richesses, kurz SBR. Allein im Rübenanbau verdoppelte sich zwischen den Jahren 2023 und 2024 die betroffene Fläche mit Starkbefall der Krankheiten laut Deutschem Bauernverband nahezu auf mindestens 75.000 ha.
Zwar arbeitet die Forschung mit Hochdruck daran, den Schaderreger, Symptome und mögliche Lösungsansätze zu erforschen. Bislang steht aber keine fertige Bekämpfungsstrategie zur Verfügung, es gibt nur einzelne Bausteine, die helfen, die Zikadenpopulationen einzudämmen. Branchenverbände appellieren daher an die Politik: In der aktuellen Situation sollte die Notfallzulassung geeigneter Pflanzenschutzmittel möglich gemacht werden.
Notfallzulassungen sind aber keine dauerhafte Lösung. Landwirtinnen und Landwirte brauchen bei Starkbefall langfristig eine zugelassene Bekämpfungsoption.
Pflanzenbauliche Maßnahmen gegen die Zikade
Unterstützen pflanzenbauliche Maßnahmen die Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade? Bodenbearbeitung durch tiefes Pflügen scheint nicht zuverlässig zu helfen. Das haben jüngste Versuche der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft bestätigt. Auch der Einsatz von Branntkalk zeigt keine Wirkung. Lediglich eine weite Fruchtfolge, d. h. Anbaupausen von Kulturen, von denen sich das Jugendstadium der Zikade (Nymphe) ernährt, oder generell gar kein Anbau dieser Pflanzen können dazu führen, die Zikaden durch Nahrungsentzug auszuhungern und so ihren Bestand zu reduzieren. Da die Larven im Boden überwintern und sich von Getreidewurzeln ernähren, sollten Landwirtinnen und Landwirte möglichst auf eine Getreidefruchtfolge nach Zuckerrüben verzichten. Dies gilt auch für andere Wirtspflanzen wie Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten oder Rote Beete.
Die große Herausforderung wäre aber, dass sämtliche landwirtschaftlichen Betriebe in einer Region ihre Fruchtfolge entsprechend umstellen müssten. Ansonsten könnten die Zikaden aus benachbarten Schlägen einwandern. Um den Larven keine Nahrung zu bieten, sollten die Betriebe außerdem die Äcker möglichst lange – bis Ende April oder Anfang Mai – ohne grüne Bodenbedeckung halten, also in sogenannter Schwarzbrache. Dafür müssen allerdings Ausnahmen beim Standard für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand landwirtschaftlicher Flächen zur Mindestbodenbedeckung (GLÖZ 6) beantragt und gewährt werden. Schwarzbrache ist aufgrund der EU-Vorgaben zum Erosionsschutz nämlich nicht in dieser Dauer erlaubt.
Neben dem Pflanzenschutz und der Fruchtfolge sind resistente Sorten der wichtigste Baustein im Kampf gegen die Krankheit. Aktuell gibt es diese noch nicht, doch die Züchtung arbeitet mit Hochdruck daran. Prinzipiell kann aber die Sortenwahl eine erste Gegenmaßnahme sein, da einige Sorten scheinbar eine höhere SBR-Toleranz aufweisen.
Politik hat Problem erkannt
Die Relevanz des Themas ist inzwischen in der Politik angekommen: Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat dazu Anfang 2025 einen Runden Tisch initiiert. Allerdings braucht die Branche nun pragmatische Lösungen. Die Zeit für lange Diskussionen sei nicht vorhanden, mahnt der Deutsche Bauernverband: „Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, gefährden wir nicht nur die Zuckerversorgung, sondern durch die Ausbreitung der Zikade auf Kartoffeln und vielen Gemüsekulturen auch die Grundversorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln.“
Titelbild: (c) Klaus Schrameyer