Wie können landwirtschaftliche Betriebe auf die steigenden Düngerpreise reagieren?
Steigende Energiepreise machen es schwer, Mineraldünger in Deutschland wettbewerbsfähig zu produzieren. Die Konsequenz: Die Düngemittel für landwirtschaftliche Betriebe sind teurer. Wie können Landwirtinnen und Landwirte reagieren? Darüber sprachen wir mit dem agrarheute-Marktexperten Dr. Olaf Zinke.
Die Düngerpreise sind für Landwirtinnen und Landwirte in den letzten Monaten stark gestiegen. Warum?
Dr. Olaf Zinke: Die aktuellen Preissteigerungen bei Düngemitteln resultieren aus mehreren Faktoren. Zum einen haben die sehr hohen Gaspreise von aktuell rund 58 Euro pro Megawattstunde die Produktionskosten der europäischen Düngerhersteller erheblich erhöht. 60 bis 80 Prozent der Produktionskosten von Düngemitteln entfallen auf Erdgas. Zum anderen tragen der extrem schwache Euro und die relativ starke weltweite Nachfrage nach Harnstoff dazu bei, dass Düngerimporte teurer werden. Diese Kombination führt zu den derzeit explodierenden Düngerpreisen.

Dr. Olaf Zinke, Redakteur und Experte für Betrieb und Markt bei agrarheute
Wie können landwirtschaftliche Betriebe auf diese steigenden Kosten reagieren?
Dr. Olaf Zinke: Die Kaufgewohnheiten der Landwirte und Händler verlagern sich immer stärker zu einem Just-in-Time-Ansatz und weichen von den hohen Vorkaufsraten ab, die früher üblich waren. Dabei ist aus Risikogründen sicherlich eine Splittung der Einkäufe zu empfehlen. Hilfreich wäre auch eine Planung mit den Händlern, um die Verfügbarkeit der Dünger für eine pünktliche Lieferung sicherzustellen. Zudem sollten Betriebe ihre Düngestrategien überdenken und optimieren. Eine präzise Bodenanalyse kann helfen, den tatsächlichen Nährstoffbedarf der Pflanzen zu ermitteln und somit den Düngereinsatz effizienter zu gestalten.
Warum ist die Versorgungssituation mit Düngemitteln in Deutschland so angespannt?
Dr. Olaf Zinke: Düngemittelhersteller können in Deutschland aus Kostengründen kaum noch produzieren. Bereits im Oktober 2024 hat sich der große europäische Hersteller LAT Nitrogen vom deutschen Markt zurückgezogen. SKW Piesteritz, einer der letzten verbliebenen Düngemittelhersteller Deutschlands, musste aufgrund der Marktlage und politisch bedingten Rahmenbedingungen zuletzt die Produktion drosseln und eine von zwei Ammoniakanlagen für eine unbestimmte Zeit abstellen. Das hat Auswirkungen auf die Versorgungslage mit Düngemitteln.
Halten sich Landwirtinnen und Landwirte aktuell beim Kauf zurück?
Dr. Olaf Zinke: Aus den genannten Gründen sind die Lager nicht gefüllt, Ende November 2024 wurde die Marktabdeckung auf 40 bis 45 Prozent geschätzt. Das ist ein niedriger Wert verglichen mit einem Durchschnitt von 60 bis 65 Prozent in normalen Jahren. Landwirte kaufen weniger, um durch niedrigeren Düngemittelverbrauch Betriebskosten zu sparen. Eine Rolle spielen auch die niedrigen Getreidepreise und ein Rückgang der angebauten Getreidefläche.
Wie wird sich der Markt voraussichtlich weiterentwickeln?
Dr. Olaf Zinke: Einige Händler gehen davon aus, dass die Verkäufe bis zum Frühjahr 2025 schwach bleiben werden. Bis Anfang März könnte die Nachfrage ihren Höhepunkt erreichen, aber bereits im März/April dürfte sie wieder nachlassen. Nach den Feldarbeiten im Frühjahr ist auch ein Rückgang der Düngerpreise möglich, zumal auch die Gaspreise im Frühjahr fallen werden und sich die globale Dünger-Nachfrage abschwächt.
Was könnte die Politik tun, um Landwirtinnen und Landwirte sowie heimische Düngerhersteller zu entlasten?
Dr. Olaf Zinke: Landwirte und Industrie könnten zumindest kurzfristig unterschiedliche Interessen verfolgen. Während für die Industrie sinkende Energiekosten von zentraler Bedeutung sind, um die Produktionskosten zu senken und die internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, liegt der Fokus der Landwirte auf einer stabilen und bezahlbaren Versorgung mit Düngemitteln. Doch in einem Punkt sind sich beide Sektoren einig: Ein Abbau staatlicher Regulierungen und Auflagen wäre nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig.