Digitalisierung als Lösung für eine produktive und nachhaltige Landwirtschaft

Digitalisierung ist auch in der Landwirtschaft ein großes Thema – die Adaption neuer Technologien erfolgt jedoch sehr heterogen. Einige digitale Lösungen werden bereits von einem Großteil der Landwirtinnen und Landwirte genutzt, bei anderen warten viele noch ab.

Landwirt Torsten Reim aus Hohenstein im Taunus gehört zu denen, die das Thema Digitalisierung im Ackerbau vorantreiben. Das Zögern von Berufskolleginnen und Kollegen überrascht ihn aber nicht. „Vor ca. 70 Jahren lösten Traktoren zunehmend Pferde in der Landwirtschaft ab. Die Sorge um das Ende des traditionellen Landwirtschaftsbilds war damals groß“, beschreibt er bereits frühere Akzeptanzprobleme bei technischen Fortschritten. „Nutzen und Vorteile überzeugten schließlich doch. Technische Entwicklungen haben seitdem den Job der Landwirtinnen und Landwirte wesentlich angenehmer und körperlich schonender gemacht. Sie sorgen zeitgleich für mehr Effizienz, Produktivität und Ressourcenschonung.“ Für Torsten Reim ist die Bewirtschaftung seiner Ackerflächen ohne digitale Lösungen gar nicht mehr denkbar.

Torsten Reim setzt im Anbau auf digitale Technologien.

Auf der Spur bleiben: Lenksysteme für landwirtschaftliche Fahrzeuge

Einer der bereits etablierten Bausteine der Digitalisierung sind Lenksysteme. „Sensoren, die in kleinen Boxen auf dem Traktordach angebracht sind, sehen wir inzwischen oft“, berichtet Reim. „Spurführungssysteme lenken den Schlepper und das Anbaugerät mittels hochpräziser Satellitentechnik mit einer Genauigkeit von bis zu +/- 2cm. Ohne solche Technik müssten sich Landwirtinnen und Landwirte auf ihr Augenmaß verlassen.“ Torsten Reim kennt es aus Erfahrung: „Wer, Pi-mal-Daumen arbeitet, riskiert Überlappungen des Arbeitsbereiches, Spuren oder sogar das Vergessen einzelner Streifen. Das führt nicht nur zu einer stärkeren Bodenverdichtung und einem höheren Spritverbrauch. Auch die Anwendung von wertvollen und spezialisierten Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie von Saatgut wird ungenauer. Lenksysteme dagegen entlasten den Fahrer und sparen Ressourcen.“

Digitale Systeme finden im Ackerbau bereits in unterschiedlichen Bereichen Anwendung.

Teilflächenspezifische Bewirtschaftung: Gelebte Digitalisierung im Ackerbau

Seit über 10 Jahren bewirtschaftet Torsten Reim alle seine Flächen teilflächenspezifisch. Dabei unterteilt er das Feld in kleinere Bereiche, die dann entsprechend ihres jeweils spezifischen Bedarfs bewirtschaftet werden. Das bringt klare Vorteile, denn: „Nicht jeder Bereich auf dem Acker hat die gleiche Beschaffenheit. Eine gleiche Bewirtschaftung bringt dann große Unterschiede bei Erträgen. Je differenzierter auf einzelne Flächenteile geschaut wird, umso wirtschaftlicher arbeiten Landwirtinnen und Landwirte.“

Aussaat und Düngung

Torsten Reim hat ein EIP-Agri-Förderprojekt auf die Beine gestellt, bei dem er in Zusammenarbeit mit diversen innovativen Unternehmen und mit Hilfe von Satelliten die Wasserführung des Bodens prüft. Darüber hinaus misst er die Gammastrahlung, die der Boden abstrahlt.  Anhand der Ergebnisse bewirtschaftet er seine Ackerflächen teilflächenspezifisch. „Unser Ziel ist es, dass wir effizienter düngen und dabei nicht auf Ertrag fokussiert sind, sondern auf Qualität. Wir wollen herausfinden, welchen Unterschied diese Art der Bewirtschaftung am Ende für Werte wie den Weizenproteingehalt oder Rapsölgehalt macht“, erklärt Torsten Reim. „Mit konkreten Daten und Fakten können wir die Vorteile der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung besser aufzeigen. Dies ist wichtig, um Landwirtinnen und Landwirte von einer solchen Anschaffung zu überzeugen. Umstellungen auf neue Technik sind schließlich mit hohen Investitionen verbunden.“

Aus den Satellitenaufnahmen des Ackers werden außerdem Ertragsprofile erstellt. Mit Hilfe von Applikationskarten werden dann Aussaat und Düngung auf die Erfordernisse der Teilflächen abgestimmt. Die Qualität des Ernteguts kann Reim bei der Ernte schließlich direkt validieren. „Dafür nutze ich einen NIR-Sensor an meinem Mähdrescher“, erklärt der Landwirt das Vorgehen. „Diese Sensoren werden sonst hauptsächlich bei der Gülleausbringung zur Messung und Dokumentation der Inhaltsstoffe und Durchflussmenge benutzt. Ich kann damit aber z. B. auch die Eiweißerträge von Weizen messen und gleich bei jedem Abtanken entscheiden, welcher Weizen in welches Silo wandert.“ Durch eine frühzeitige Unterscheidung wird verhindert, dass unterschiedliche Getreidequalitäten vermischt werden und den Wert des Ernteguts mindern. 

Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln

Gerade auch im Bereich Pflanzenschutz und Düngung bietet die Digitalisierung viele Möglichkeiten für die präzisere Behandlung variierender Pflanzenbestände. So können Pflanzenschutz- und Düngemittel noch gezielter eingesetzt werden. „Eine Möglichkeit stellt auch hier die Arbeit mit Applikationskarten dar“, so Torsten Reim. „Damit kann die optimale Dosiermenge für die verschiedenen Feldzonen ausgemacht werden. Es werden anschließend wirklich nur die notwendigen Mengen an Pflanzenschutzmitteln ausgebracht, die von den Pflanzen für ein gesundes Wachstum gebraucht werden.“

Zudem arbeiten Unternehmen an Lösungen, in denen Kameras und Programme Beikräuter im frühen Stadium erkennen, damit gezielt nur diese Pflanzen besprüht werden. Die Unkraut- und Krankheitserkennung wird dabei immer besser. In Zusammenarbeit mit Drohnen kann z. B. Gelbrost im Getreide, der oft nur nesterweise auftritt, schon früh erkannt und gezielt nur dort behandelt werden, wo es auch notwendig ist. Torsten Reim ist sich sicher: „Das sogenannte ,Spot Spraying‘ wird eine Revolution im Pflanzenschutz bedeuten“.

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