Mit KI über den Rübenacker

Wie Landmaschinen autonomer, sicherer und klimafreundlicher eingesetzt werden.
Interview mit Herrn Prof. Joachim Hertzberg, Professor für Informatik an der Universität Osnabrück und Geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) Niedersachsen

Kurz und knapp zusammengefasst: Worum geht es in Ihrem Forschungsbereich und speziell beim Projekt „AI-Test-Field“?
Im DFKI-Forschungsbereich Planbasierte Robotersteuerung geht es um Software zur Steuerung autonomer mobiler Roboter. Die sollen in alltäglichen Umgebungen, über die sie keine vollständige Information und keine volle Kontrolle haben, zielgeleitet handeln können.

Im Projekt AI-Test-Field geht es um ein Problem der funktionalen Sicherheit von autonomen Landmaschinen: Unter allen Umgebungsbedingungen – beispielsweise Staub, Dämmerung oder hoher Pflanzenbestand – müssen solche Maschinen Menschen sicher erkennen können, um sie zu warnen oder anzuhalten. Die aktuell leistungsfähigsten Verfahren zur Erkennung von Menschen, zum Beispiel in Kamerabildern, beruhen auf maschinellen Lernverfahren. Es gibt aber noch keine systematisch erzeugten Datensätze zum Trainieren und Validieren von Menschenerkennungssoftware, in denen sämtliche Umgebungsbedingungen abgebildet sind, die tatsächlich im Feld vorkommen. Solche Datensätze zu erstellen und zu bearbeiten ist Inhalt von AI-Test-Field.

Prof. Joachim Hertzberg, Professor für Informatik an der Universität Osnabrück und Geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) Niedersachsen

Welche Argumente sprechen für den Einsatz von autonomen und teilautomatisierten Landmaschinen?
Teilautomatisierung von Landmaschinen sehen wir bereits heute in Form von Fahrerassistenzfunktionen wie Lenksystemen, Regelung der Arbeitsparameter in Erntemaschinen oder Teilbreitensteuerung in Feldspritzen. Diese sollen Verbesserung der Prozessqualität, Reduzierung von Ressourceneinsatz und nicht zuletzt Verringerung der Arbeitsbelastung für das Personal bewirken – also klassische Faktoren in der Automatisierung auch außerhalb der Landwirtschaft.

In der Zukunft könnten autonome Maschinen zudem Prozesse ökonomisch und ökologisch interessant machen, die derzeit wegen hoher Arbeitskosten oder Mangels qualifizierten Personals nicht darstellbar sind – beispielsweise personalaufwändige Ernten. Außerdem könnten sie Prozesse ermöglichen, die mit der aktuellen Technik nicht mit vertretbarem Aufwand machbar sind. Autonome Roboter zur einzelpflanzenbasierten Unkrautbehandlung 24 / 7 sind ein aktuelles Beispiel.

Warum ist KI für autonome und teilautomatisierte Landmaschinen besonders interessant?
KI ist für Autonomie bei Landmaschinen unerlässlich. Sie ermöglicht zielgerichtetes Agieren in Umgebungen, die nicht vollständig bekannt und nicht perfekt kontrollierbar sind. Ackerbau ist da ein Musterbeispiel: Ob irgendwo auf dem Rübenacker während der Aufwuchsphase der Unkrautdruck zu hoch ist, kann man vorher in keiner Datenbank nachschlagen.

KI erlaubt es, Programme für den zielgerichteten Umgang mit unvollständigem Wissen über die Umgebung zu entwickeln. Diese Programme beruhen immer darauf, in irgendeiner Form mit Sensoren Daten über diese Umgebung zu sammeln, diese Daten zu interpretieren und eine Handlung anzustoßen – entweder in der Steuerung einer autonomen Maschine oder durch eine Empfehlung für einen handelnden Menschen.

Welches Potenzial steckt in landwirtschaftlicher KI, um Klima und Umwelt zu schützen?
Die Chance für Klima- und Ressourcenschonung besteht darin, dass der Zustand von Feldern feinteilig und umfassend erfasst und interpretiert werden kann. Dadurch können die Flächen differenziert bearbeitet werden – eine konsequente Fortsetzung von Precision Farming.

Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen, bevor KI-basierte Systeme in der Landwirtschaft flächendeckend eingesetzt werden können?
Aktuell ist technisch die Robustheit von KI-basierten Steuerungen von Landmaschinen noch nicht immer befriedigend. Für komplett autonome Maschinen fehlt es noch an den Prozessen, die nahtlos in die Maschinen passen. Aus Sicht der KI-Entwicklung ergibt es nicht unbedingt Sinn, den aktuellen Maschinenpark einfach durch autonome Versionen der aktuellen Maschinen zu ersetzen. KI in der Landwirtschaft einsetzbar zu machen, ist also keine Aufgabe der KI-Entwicklung allein, sondern auch eine Aufgabe der Agrarforschung und Praxis.

Thema Datenspeicherung und -sicherheit: Inwiefern ist die Sorge vieler landwirtschaftlicher Betriebe um den Verlust ihrer Datenhoheit und eine „gläserne“ bzw. staatlich kontrollierte Landwirtschaft gerechtfertigt?
In Hinsicht auf Datenspeicherung und -sicherheit setzt KI den Trend der Digitalisierung der Landwirtschaft fort. Das Thema ist insofern nichts Neues, aber verstärkt diesen Trend sicherlich. Datenhoheit und externe Kontrolle hängen an der Frage, wer inwieweit Zugriff auf Daten aus den Betrieben hat – nicht an der Frage, ob die Daten mit oder ohne KI verarbeitet werden.

Gerade bei autonomen Maschinen oder Assistenzfunktionen auf menschengesteuerten Maschinen bekommt das Problem Cybersicherheit eine größere Bedeutung. Auch das ist kein wirklich neues Thema in der bereits stark digitalisierten Landwirtschaft – allerdings scheint es aus Sicht der Wissenschaft in der Praxis noch nicht immer ausreichend wahrgenommen zu werden.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Hertzberg!

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