Winterkälte: ein Segen für die Landwirtschaft?
In den letzten Jahren waren die Winter meistens milder als in früheren Jahren. Trotzdem kam es immer wieder zu plötzlichen Kälteeinbrüchen. Vielen Hobbygärtnern sind dabei Garten- oder Balkonpflanzen erfroren. Aber wie sieht es in der Landwirtschaft aus? Sind die niedrigen Temperaturen im Winter ein Risiko für die Ernte oder sogar ein Segen? Kurzgefasst: sowohl als auch.
Frost sorgt für lockeren Boden
Eine Bauernregel besagt: „Ist der Winter warm, wird der Bauer arm“. An dieser Weisheit ist durchaus etwas dran: Vor allem Ackerbauern freuen sich über kalte Winter. Die sogenannte Frostgare sorgt für eine Lockerung der Ackerböden, die über das Jahr durch Befahren und Niederschläge nachverdichtet sind. Liegen die Temperaturen mehrere Tage in Folge unter dem Gefrierpunkt, gefriert der Boden bzw. die Feuchtigkeit, die die Kapillare und Risse des Bodens durchdringt. Da Eis ein größeres Volumen als Wasser hat, werden größere Erdklumpen regelrecht aufgesprengt. Auch einige Mineralstoffe im Boden werden aufgespalten. Bei jedem erneuten Auftauen und Gefrieren des Bodens wird die Bodenstruktur feiner.
Durch die Frostgare wird den Kulturpflanzen die Durchwurzelung des Bodens erleichtert. Zudem verbessert sich die Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen. Auch Bodenlebewesen profitieren davon und tragen somit selbst weiter zur verbesserten Bodenstruktur bei. Nach einem kalten Winter hat das im Herbst gesäte Wintergetreide also zu Beginn der Vegetationsperiode im Frühjahr beste Wachstumsvoraussetzungen.
„Dezember kalt mit Schnee, tut dem Ungeziefer weh.“
Oft wird pauschal angenommen, dass kalte Winter für eine natürliche Eindämmung von Schädlingen sorgen. Das ist jedoch von Art zu Art unterschiedlich. Viele heimische Insekten sind perfekt an niedrige Temperaturen angepasst. Sie fallen in eine Winterstarre oder überwintern kältegeschützt. Solche Arten leiden eher unter starken Temperaturschwankungen, die sie zu früh aus ihrer Winterstarre wecken. Auch zu warmes und feuchtes Winterwetter kann viele Schadinsekten gefährden, da sie unter diesen Bedingungen vermehrt von Pilzkrankheiten befallen werden.
Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass milde Winter durchaus die Ausbreitung einiger Schadinsekten und auch Pflanzenkrankheiten begünstigen. Beispielsweise führen sie dazu, dass die Mobilität von krankheitsübertragenden Schädlingen ansteigt oder verlängert wird: Blattläuse beispielsweise vermehren sich dann schon früher im Jahr, weil die erwachsenen Exemplare den Winter in großer Zahl überstehen. Pflanzen sind damit einer höheren Gefahr ausgesetzt. Der Schädlingsbefall wird durch milde Wintertemperaturen dynamischer und für Landwirte schwerer vorhersehbar. Studien zeigen zudem, dass höhere Temperaturen in den Wintermonaten günstigere Bedingungen für bodenbürtige Krankheiten wie Getreiderost und Mehltau schaffen. Bei milden Temperaturen überstehen ihre Erreger den Winter im Boden.