Precision Farming: Genau wissen, was Pflanze und Feld brauchen
Es ist derzeit eines der beliebtesten Trendwörter in der Agrarbranche und an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe kann man es mittlerweile sogar studieren: Precision Farming. Aber was heißt das eigentlich – Präzisionslandwirtschaft? In unserer Serie zur Digitalisierung der Landwirtschaft erklären wir das Konzept, das mehr Ertrag bei weniger Ressourceneinsatz verspricht.
Der Begriff Precision Farming steht für landwirtschaftliche Produktions- und Managementtechniken, die auf der intensiven Nutzung von Daten beruhen. Der Name verrät es: Es geht um präzises Arbeiten – Voraussetzung dafür sind möglichst genaue Kenntnisse der Arbeitsbedingungen.
Beim Precision Farming geht es um datenbasierte
bedarfsgerechte Bewirtschaftung. (Foto: Bayer)
Im Pflanzenbau ist das Ziel des Precision Farming, die Bodeneigenschaften und die Ertragsfähigkeit von Teilflächen möglichst gut zu kennen, um darauf bedarfsgerecht reagieren zu können. Mithilfe intelligenter digitaler Technik werden landwirtschaftliche Flächen beim Precision Farming sehr zielgerichtet und individuell auf Standort und Pflanzenbestand abgestimmt bewirtschaftet. „Je mehr Informationen der Landwirt zur Verfügung hat, umso besser lassen sich die Parameter beschreiben, mit denen er umgehen muss, um erfolgreich arbeiten zu können“, sagt Prof. Dr. Hans W. Griepentrog vom Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim.
Gesammelte Daten sind Grundlage für Bearbeitung
Sonden und Sensoren sammeln daher Daten – beispielsweise zu Feuchtigkeit und Nährstoffgehalt im Boden, zur Biomasse, zur Bodenverdichtung, zum Geländeprofil, aber auch zur fotosynthetischen Tätigkeit von Pflanzen und ihrer aktuellen Qualität. Wetterdaten werden analysiert. Satellitenfotos zeigen Wachstumsfortschritte. Drohnen erkennen Krankheits- und Schädlingsbefall, Wasser-, Hagel- oder Wildschäden frühzeitig aus der Luft. All das wird in einer elektronischen Ackerschlagkartei erfasst, die die Grundlage für die weitere Bearbeitung bildet. Während der Ernte verzeichnen mit dem Mähdrescher vernetzte Erntewagen den Ertrag für jeden Quadratmeter des Feldes.
Letztendlich hat der Landwirt durch die gesammelten und miteinander verknüpften Daten in Echtzeit umfassende Kenntnisse über den aktuellen Zustand von Feld und Pflanze – und kann zielgenau handeln, um diesen Zustand weiter zu fördern oder verändernd einzugreifen. Die Daten zur detaillieren Nährstoffversorgung, zu Befall- und Behandlungsmöglichkeiten der Pflanzen sind für den Landwirt Entscheidungsgrundlage: Dünge- und Pflanzenschutzmittel kann er jetzt teilflächenspezifisch genau dort ausbringen, wo sie gebraucht werden.
Teilflächenspezifisch auf die Bodenbeschaffenheit reagieren
Denn der Boden ist innerhalb eines Schlags keineswegs homogen und überall gleich beschaffen. Eine differenzierte Bewirtschaftung ist aber nur möglich, wenn der Landwirt weiß, welche Teilfläche welche Bedürfnisse hat – also beispielsweise wo mehr, weniger oder gar keine mechanische Bodenbearbeitung, Dünge- oder Pflanzenschutzmittel gebraucht werden.
Der Boden innerhalb eines Schlags ist nicht homogen.
Digitale Technik hilft dabei, jede Teilfläche ihren Bedürfnissen
entsprechen zu bewirtschaften. (Foto: iStock)
Auch beim Ausbringen selbst verhilft digitale Technik zu mehr Präzision: Das Lenken auf dem Acker übernimmt dank GPS-Technik der Computer. Modernste Düsentechnik ermöglicht es, dass Flächen nicht mehrfach überfahren und die Düsen beispielsweise auf Wendeflächen automatisch abgeschaltet werden. Durch moderne Applikationstechnik wird die Abdrift noch weiter minimiert. Teilflächenspezifisch kann auch die Saatgut- und Düngemenge automatisch angepasst werden. Mithilfe von integrierten Sensoren „entscheidet“ die Düsentechnik ohne Zutun des Landwirts, ob und wo welches Mittel ausgebracht wird: Die Blattfärbung der Pflanzen kann von Stickstoffsensoren beispielsweise über Lichtwellen erfasst werden. Je nach Blattfärbung gibt die Düse dann Stickstoffdünger ab oder nicht. Gleiches gilt beispielsweise im Fall von Schädlings- oder Pilzbefall für Insektizide oder Fungizide.
Ökonomische und ökologische Vorteile
So erwirtschaftet der Landwirt dank Precision Farming im besten Fall einen höheren Ernteertrag, weil seine Pflanzen durch bedarfsgerechte Behandlung gesünder sind. Gleichzeitig benötigt er weniger Ressourcen wie Dünger, Diesel, Pflanzenschutzmittel und Saatgut. Das kommt nicht nur seiner betriebswirtschaftlichen Bilanz, sondern auch der Umwelt zugute. Prof. Dr. Arno Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück, der sich auf Forschungsprojekte rund um Feldroboter spezialisiert hat, bestätigt: „Speziell im Pflanzenschutzergeben sich Vorteile, wenn ich mit Sensorik arbeite. In der Praxis bedeutet das Einsparungen der Ressourcen und Sicherung des Ertrags durch individuelle Pflege der Pflanzen.“ Auf lange Sicht hilft die datengestützte Präzisionslandwirtschaft auch dabei, zu klären, warum ein Jahr besser oder schlechter war als das vorherige – um so letztendlich schlechte Jahre zu verhindern.
Für Landwirte es es enorm hilfreich, genau zu wissen,
was Feld und Pflanze brauchen. (Foto: iStock)
Auch in der Tierhaltung ist das Prinzip sensorgesteuerter Technik inzwischen angekommen, Stichwort Precision Livestock Farming. Hier geht es darum, die Prozessüberwachung und -kontrolle sowie die Tierbetreuung noch effizienter gestalten, um auch hier extrem präzise und bedarfsgerecht beispielsweise auf Krankheitsfälle reagieren zu können. Tierspezifische Daten, etwa zur Bewegung, zum Fressverhalten oder zur sogenannten Tieraktivität, erfassen daher mittlerweile in vielen deutschen Ställen Sensoren.
Voraussetzung dafür, dass Precision Farming funktioniert, ist einerseits ein hohes Maß an Datenschutz und IT-Sicherheit. Wenn es um sensible Daten geht, müssen Nutzer, also in diesem Fall die Landwirte, den Entwicklern und Betreibern digitaler Lösungen im Umgang damit vertrauen können. Ebenso wichtig ist der Ausbau der notwendigen Infrastruktur im ländlichen Raum. Nur dort, wo es flächendeckend leistungsstarke Internetverbindungen gibt, ist Precision Farming möglich.